01. August 2022, 84 km, 385 Höhenmeter: Von Winchelsea nach Dover
Heute stand meine letzte Etappe in England an. Am Abend würde ich Dover erreichen und morgen – nein, nicht nach Calais – nach Dünkirchen übersetzen. Diese letzte Etappe auf der Insel dürfte auch die schönste gewesen sein. Ich fuhr wieder auf dem Radweg National Route 2 von Dawlish bei Plymouth nach Dover. Der Radweg war an etlichen Stellen alles andere als schön, aber hier war er wirklich lohnenswert.
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Detaillierte Reisebeschreibung:
Nach dem Frühstück verließ ich Winchelsea Richtung Norden und fuhr gen Rye. Das Gebiet, dass ich durchfuhr, war landschaftlich sehr reizvoll, auch wenn mich die Viehgatter wieder recht häufig am Vorankommen hinderten. Es war zwar kein Zeitverlust, klar, die paar Sekunden spielten keine Rolle. Aber es war ein wenig nervig, immer wieder anzuhalten und das gesamte Gespann durch die Viehgatter zu bugsieren. Aber der landschaftlichen Schönheit tat das keinen Abbruch.
Radweg vor Rye
Typisches Viehgatter bei Rye
Nach etwa 6 km erreichte ich Rye, das ich zügig passierte. Der Weg änderte die Richtung. Es ging nun nach Südosten in Richtung Ärmelkanal. Die Landschaft war sehr flach, so dass das Fahren richtig Spaß machte. Südwestlich von Rye fuhr ich an einigen kleinen Seen und Teichen vorbei – und begegnete noch einmal dem Wandersmann von gestern. Wir unterhielten uns noch ein wenig und setzten das typische Woher- und Wohin-Gespräch, das wir gestern begonnen hatten, fort. Dann verabschiedeten wir uns und bewegten bewegten uns in gleiche Richtung weiter, er auf den Schuhen und ich auf dem Fahrrad.
Weiher bei Rye
Nach 12 km erreichte ich das Meer, aber nur um es 2 km weiter wieder zu verlassen. Ich wandte mich nach Nordosten und erreichte nach insgesamt 21 km einen Ort namens Lydd. Lydd hat etwa 6.500 Einwohner und liegt in der Denge-Marsh, die wiederum Teil der Romney Marsh ist. Diese besteht aus Tiefland, das sich teilweise unter Meereshöhe befindet. Die Marschlandschaft hat ein sehr vielfältiges Gesicht und ist extrem eben – wunderbar zu durchfahren. In der Romney Marsh hatte ich eine weitere nette Begegnung. Ein Engländer mittleren Alters war mit seinem dreirädrigen Liegerad unterwegs. Er wollte ebenfalls nach Dover und dort nach Calais übersetzen. Von Calais aus wollte er dann nach Berlin fahren. Er meinte, auf dem Festland sei das Radwegenetz viel besser ausgebaut als in Großbritannien. Nun, das konnte ich auf jeden Fall bestätigen.
Lydd in der Denge-Marsch
Bei Hythe erreichte ich wieder den Ärmelkanal, und entlang des Ärmelkanals ging es nun bis nach Dover. Wenig Kilometer nach Hythe erreichte ich Folkestone, eine Stadt von knapp 50.000 Einwohnern in der Grafschaft Kent. Wenn du dich fragst, wo du den Namen Folkestone schon einmal gehört hast, dann sicher daher: nordwestlich von Folkestone liegt der britische Eingang bzw. Ausgang des Eurotunnels. Daher ist Folkestone ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Dies war aber auch früher schon eine wichtige Eigenschaft von Folkestone als Hafenstadt und Eisenbahnknoten mit vier Bahnhöfen, von denen zwei – unter anderem der Folkstone Harbour am Hafen – im Laufe der Jahre geschlossen wurde. Folkestone Harbour wurde im fahrplanmäßigen Verkehr 2001/2002 geschlossen und nur noch für gelegentlich Dampfeisenbahnfahrten verwendet. Auch diese wurden 2009 eingestellt. 2014 wurde der Hafen vollständig geschlossen, dann aber für touristische Zwecke umgebaut und in den Gesamthafenkomplex integriert.
Ärmelkanal bei Folkestone
Bahnhof Folkestone Harbour
Blick auf den Folkestone Harbour mit den Kreidefelsen von Folkestone
Blick auf den Ärmelkanal mit dem Folkestone Harbour Arm
Kreidefelsen von Folkestone
Folkestone
Von Folkestone nach Dover ist der Radweg National Route 2 traumhaft. Es geht in einem sanften Auf und Ab auf den Klippen entlang mit einer Vielzahl an spektakulären Ausblicken auf den Ärmelkanal. Das Wetter war nur leicht bewölkt, und der Wind kam von hinten, so dass auch hier alles passte. Die weißen Klippen, die Kreidefelsen also, gibt es entlang des ganzen Weges. Die Kreidefelsen von Dover sind wohl nur deshalb so bekannt, weil man sie von Frankreich aus sehen konnte. Umgekehrt konnte ich kurz vor Dover auch Frankreich sehen. Da der Ärmelkanal hier seine engste Stelle hat, war auch reichlicher Schiffsverkehr zu beobachten. Einige Kilometer vor Dover begann dann eine andere „Sehenswürdigkeit“ – der LKW-Stau, den uns der Brexit eingebrockt hat, eine in meinen Augen ziemlich bescheuerte Idee. Oben auf den Klippen ging es an dem Stau entlang, und mit dem Stau erreichte ich Dover. Dort hatte ich einen großartigen Blick über den Hafen und auf die östlich gelegenen Kreidefelsen – jetzt die bekannten Dover-Kreidefelsen.
Auf den Klippen zwischen Folkestone und Dover
Auf den Klippen zwischen Folkestone und Dover
LKW-Stau vor Dover
LKW-Stau vor Dover
Blick über den Hafen von Dover zu den Kreidefelsen
Ich radelte am Hafen von Dover vorbei und durchquerte Dover, ohne weiter anzuhalten. Mein Hotel lag nicht direkt in Dover, sondern nördlich in Whitfield. Auf dem Weg nach Whitfield hielt mir die Strecke noch eine Überraschung bereit. Ich geriet in ein Labyrinth von Straßen, die alle irgendwie im Kreis angeordnet waren, wobei die Kreise unregelmäßige Verbindungen hatte. Hier streikte nicht nur das Navi, auch Google Maps verlor die Orientierung. Ohne diese Helfer konzentrierte ich mich allein auf die Karte und fand einen Weg, wenn ich noch einmal ein Stück Richtung Dover fuhr. Ich traf auf eine größere, geradlinige Straße, die direkt zu einem vierspurigen Hafenzubringer führte. Egal, es erschien mir der schnellste Weg und war nur wenige Kilometer zu fahren. Also rauf auf den Seitenstreifen dieser Schnellstraße und Richtung Hotel. Der Seitenstreifen war etwa 1,5 m breit, und es war erlaubt, ihn mit dem Fahrrad zu befahren. Zwar donnerten die LKWs an mir vorbei, aber ich hatte kein unsicheres Gefühl. Es dauerte auch nicht wirklich lange, bis ich am Hotel ankam. Meine letzte Nacht in England brach an.
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