20. Mai, 58 km, 845 Höhenmeter
Der Tag heute endete am Nachmittag im B&B Paradiso, fürwahr ein Paradies. Aber zuvor musste noch ein kleines Abenteuer überstanden werden. Doch dazu später mehr.
Eine gemütliche Fahrt durch den Apennin
Zunächst ging es von Urbino bzw. meiner Unterkunft etwas außerhalb von Urbino leicht bergab und dann relativ eben weiter bis Fermignano. Es folgte eine erste Steigung von 200 auf 380 Höhenmeter und wieder hinab auf 200 Höhenmeter. Auf dieser Strecke sah ich zum ersten Mal einen kleinen Rastplatz mit Tisch und Bänken. Allerdings hatten diese ihre besten Zeiten schon lange hinter sich und luden nicht mehr zum verweilen ein.
Ab Acqualagna ging es dann über eine Strecke von etwa 30 km nur noch bergauf, von 200 Höhenmeter auf 660 Höhenmeter. Dabei waren 27 km sehr entspannt, nur die letzten 3 km kurz vor dem kleinen Abenteuer waren steiler.
Die Strecke selbst war herrlich. Ein sehr langes Stück führte der Weg über eine so gut wie nicht befahrene Straße, die parallel zur Hauptstraße verlief und in einem sehr guten Zustand war. So konnte ich mich bequem umschauen und die Gegend genießen. Die Hauptstraße kam zwar manchmal recht nahe, aber sie war auch nicht sehr befahren, so dass sich der Verkehrslärm in Grenzen hielt. Meistens war die Entfernung sogar so groß, dass man vom Verkehr gar nichts mitbekam. Ich fühlte mich wie der König auf „meiner“ verkehrslosen Straße.
Unterwegs passierte ich wieder einige kleinere Orte und nutze die Gelegenheit, um in einem winzigen Supermarkt etwas einzukaufen.
Der entspannte Zustand änderte sich kurz nach Cantiano, als ich nach rechts auf die SR452 abbiegen musste. Nun musste ich wieder auf dem schmalen Streifen direkte neben der Straße fahren und den einen oder anderen LKW an mir vorbeidonnern lassen. Daher machte ich erst einmal Pause in einem Restaurant an einem kleinen See, dem Laghetto Pesca Sportiva. Ein Holländer sprach mich an, ob das mein Gespann wäre. So kamen wir ins Gespräch und er erzählte mir, dass er alleine unterwegs sei, weil seine Frau vor dem geplanten Urlaub einen Unfall hatte, sie aber darauf bestand, dass er den Urlaub nicht abbläst. Wir erzählten uns noch dies und das, bevor ich weiterfuhr.
Laghetto Pesca Sportiva
Das kleine Abenteuer
Bald wurde die Straße steiler, und dann sah ich sie – die Schlange aus LKWs und PKWs, die sich stehend um eine leichte Rechtskurve wandte. Ich näherte mich der Schlange, als diese in Bewegung geriet. Schön, ich musste nicht am Berg anhalten und fuhr der Schlange, die nun Fahrt aufgenommen hatte, hinterher. Bald sah ich den Grund für die Schlange: eine Verkehrsampel an einer Baustelle, die linke Straßenseite war gesperrt. Noch war die Ampel grün, die Schlange inzwischen weit entfernt, also fuhr ich weiter. Noch eine leichte Rechtskurve – und die Baustelle verschwand in einem Tunnel. Ich konnte nicht abschätzen, wie lange das so weiterging und ob ich es schaffen würde, bevor der Gegenverkehr auf mich zukam. Wenden? Blöd, denn ich wusste nicht, was hinter mir kam, und als Geisterradler wollte ich auch nicht unterwegs sein.
Die Straße war inzwischen völlig eben, und ich entschloss mich, volle Kraft voraus durch den Tunnel zu rasen. Turbo rein, höchster Gang, und los ging die wilde Fahrt. Ich düste mit 40 km/h durch den Tunnel. Hinter mir sah ich aus dem Augenwinkel, dass sich ein Baustellenfahrzeug in Bewegung setzte und mir folgte. Nein, sie wollten mich nicht stoppen, sie wollten da sein, falls der Gegenverkehr kam, bevor ich durch war. Nach ca. 1 km – die Schlange vor mir war schon lange nicht mehr zu sehen – aufatmen. Zwar war die linke Spur immer noch für den Verkehr gesperrt, aber es wurde dort nicht mehr gebaut. Ich könnte also im schlimmsten Fall einfach auf diese Seite ausweichen. Noch fuhr ich aber auf der rechten Seite weiter, denn der Gegenverkehr war noch nicht in Sicht. Das Baustellenfahrzeug hinter mir verabschiedete sich, denn nun konnte nichts mehr passieren. Ich fuhr noch ein ganzes Stück weiter, als der Tunnelausgang und dort die Verkehrsampel für den Gegenverkehr sichtbar wurden. Die Ampel hatte wohl gerade auf grün geschaltet, denn das erste Fahrzeug, ein LKW, scherte gerade von der linken Spur auf meine Spur aus. Also fuhr ich langsam auf die linke Seite und rollte an die Ampel heran. Dort wartete ich, bis der Gegenverkehr im Tunnel verschwunden war und konnten nun völlig losgelöst – der Verkehr hinter mir war ja noch durch die Verkehrsampel ausgebremst – nach Gubbio hinunterrollen.
Mit Gubbio hatte ich inzwischen Umbrien erreicht. Gubbio ist ein Ort auf gut 500 m Höhe mit ca. 31.000 Einwohnern. Der Sitz des Bistums Gubbio existiert schon seit der Antike und hat einige Sehenswürdigkeiten zu bieten wie z.B. den Priorenpalast oder die Piazza Grande.
In Gubbio
Das B&B Paradiso
Meine Unterkunft war nicht direkt in Gubbio, sondern wieder etwas außerhalb. Ich musste daher in Gubbio einige Kilometer in Richtung Südosten und dann noch einmal Richtung Nordosten in die Berge hineinfahren.
Es ging eine letzte Steigung von 100 m hoch, und ich war da, im B&B Paradiso. Der Name versprach nicht zu viel. Das Paradiso hat eine Ähnlichkeit mit einer Almhütte und liegt etwas versteckt in einer Schlucht.
B&B Paradiso
Die Besitzer, Marco und Barbara, hießen mich sehr herzlich Willkommen und zeigten mir mein Zimmer. Das Zimmer, eines von zweien, ist ok, aber das Besondere ist, dass sich die Gäste aus den beiden Zimmern einen Aufenthaltsraum teilen, der auch als Frühstückszimmer dient. Dort hat man eine kleine Küche, einen Kühlschrank und andere Annehmlichkeiten. Draußen gibt es einen gemütlichen Tisch mit Bänken direkt an einer Scheune. Ein sehr guter Platz, um den Abend zu verbringen.
Die beiden italienischen Mitbewohner lernte ich leider erst am nächsten Tag kennen. Sie kamen erst später vom Essen zurück, als ich schon schlafen gegangen war.
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