01. Juli, 57 km, 480 Höhenmeter: Bagnols-sur-Cèze – Saint-Marie-d’Ardèche
Nach dem Ruhetag gestern wegen eines halbtägigen Online-Workshops hatte ich heute nur 25 km geplant. Warum? Es war heftigster Mistral angekündigt. Der Mistral ist ein kühler Nordwind, der bei bestimmen Wetterlagen zwischen Alpen und Zentralmassiv gen Süden bläst. Für den heutigen 01. Juli waren Böen bis weit über 60 km angekündigt. Da wollte ich mir nicht zu viel vornehmen; zumal ich genau gegen den Wind fuhr. Allerdings – ich war dann doch länger unterwegs und erlebte einen tollen Tag.
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Detaillierte Reisebeschreibung:
In der Nacht brach dann der Sturm auch tatsächlich extrem los. Es war ein richtiges Getöse, aber da draußen keine Lampen brannten, konnte man das Ganze nicht beobachten. Als ich am Morgen aufwachte blies es immer noch sehr kräftig und böig, aber nicht mehr so stark wie in der Nacht. Ich ging nach draußen und war überrascht. Wo man bei uns nach so einem Sturm Zweige und Äste am Boden erwartete, war hier – nichts. Die Bäume mit ihren kleinen Blättern können also diese Stürme gut ab. Ein bisschen kühler war es, das hielt aber nicht lange vor, und der Gegenwind war immer noch vom Feinsten.
Ich fuhr los. Erstes Ziel war wieder runter zur Rhone. Es ging wieder über einige Hügel und durch kleine Orte, bis ich nach 8 km wieder auf dem Rhone-Radweg und am Fluss war. Trotz Gegenwind ging es gut voran. Nach 9,5 km verpasste ich einen Rechts-Abzweig des Rhone-Radwegs, war aber auch egal, die Strecke war sehr ruhig und sehr schön und nach wie vor sehr windig.
Vénéjean
Straße bei Vénéjean
Nach 14 km traf ich Pont-Saint-Esprit wieder auf die Rhone, aber nur, um sie nach 15 km wieder zu verlassen. An einem Kreisverkehr entdeckte ich eine Bäckerei und kaufte mir ein Baguette und ein Fladenbrot mit Käse und Tomaten, das sich später als sehr vorzüglich herausstellte. Was spannend war – wenn man nicht mit Karte, sondern bar bezahlte, konnte man Scheine und Münzen in einen Apparat stecken, dem die Verkäuferin schon den Preis übermittelt hatet, und bekam das passende Wechselgeld heraus. Sehr guter Corona-Schutz für die Verkäuferinnen.
In Point-Sain-Esprit mündet die Ardèche in die Rhone. Meine Unterkunft lag etwas Ardèche-aufwärts, ein paar hundert Meter von Fluss entfernt, und wäre in knapp 10 km erreicht gewesen. Der Mistral hat mich weniger aufgehalten als gedacht, oder genauer – er hat mich gar nicht aufgehalten. Dafür hat er mir überraschenderweise die Chance gegeben, mir die Ardèche genauer anzusehen. Ohne diese Sorge vor dem Sturm wäre ich wieder meine 70 km gefahren und hätte die Ardèche im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen. Also galt es, umzudisponieren.
Zunächst fuhr ich an einen schönen Badeplatz am Fluss und machte Frühstück. Das Baguette schmeckte köstlich, so dass ich das ganze Teil wegputzte. Dann ließ ich es mir nicht nehmen, eine Runde zu schwimmen. Ging sehr gut, denn in der Mitte war die Ardèche an dieser Stelle richtig tief, aber nur schwach fließend.
Ardèche bei Saint-Just-d’Ardèche
Brotzeit an der Ardèche
Dann kam die nächste Planänderung. Meine Frau hatte mir schon von der Ardèche-Schlucht (Gorges de l’Ardèche) vorgeschwärmt. Und diese Schlucht lag ja nun westlich vor mir. Es gibt eine Panoramastraße, die weit über der Ardèche-Schlucht verläuft, und da fuhr ich nun hoch. Die Ausblicke dort oben sind gigantisch. An verschiedenen Stellen gibt es spezielle Aussichtsplattformen, von denen aus man einen besonders guten Blick runter auf den Fluss hat. Man kann die Schlucht übrigens mit Kanu oder Kajak durchfahren, und es waren auch tatsächlich zahlreiche Boote unterwegs. Wenn der Wind einmal kurz abflaute, hörte man fröhliches Lachen von unten. Die Leute hatten ihren Spaß.
Ich hatte oben auch meinen Spaß mit einem anderen Radfahrer, an dem zuerst ich vorbeifuhr, dann er an mir und dann wieder ich an ihm, bis wir an der vierten Plattform gemeinsam standen. Ich redete ihn auf Französisch an, und er antwortet mir auf Französisch mit ein paar eingestreuten englischen Brocken. Das war kein Franzose. Ich fragte ihn, wo er her sei. Na, Ihr könnt es Euch denken, es war ein Deutscher. Wir wechselten zu der Sprache, in der wir beide besser warten.
Hier einige Photos von der Ardèche-Schlucht
An einem der Aussichtspunkte drehte ich um und hatte nun den noch bessern Blick, da ich auf der dem Fluss zugewandten Straßenseite hinabrollte. Unten fuhr ich an die Stelle, wo die Boote ankamen. Es war toll zu beobachten, wie die Schlucht ein Boot nach dem anderen ausspuckte.
Ankunft der Kanus und Kajaks
Es war immer noch recht früh am Tag, so das sich mir in einer Art Biergarten ein Bier könnte, ein großes Bier, halber Liter. Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich dafür wieder gut zahlen musste – 8 €. So ist das nun mal in den Touristenzentren. Es war trotzdem sehr schön mit angenehmer französischer Musik im Hintergrund.
Auf dem Weg zur Unterkunft kaufte ich in einem Supermarkt noch etwas zum Abendessen ein. Die Unterkunft, nun ja, muss man sich nicht merken. Es war sauber, gut, aber so klein, dass man sich selbst auf die Zehen trat. Und zur Toilette musste man über eine Treppe gehen, an der für Leute über 1,80 der Kopf in ernster Gefahr war. Eine Schramme auf meinem Kopf zeugt davon.
Zum Abschluss noch ein kleines Video aus der Ardèche-Schlucht.
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